Meine dritte John-Sinclair-Kurzgeschichte wurde im John Sinclair Roman 2242 ,200 Seelen für Asmodis‘ als Leser-Kurzgeschichte veröffentlicht.
Sie ist der erste Teil der Shachaar-Chroniken.
Königstreue
Erster Teil der Shachaar-Chroniken
2021 © Alexander Weisheit
(weisheit(at)weisheitsperlen.de)
Er kniete an der Bettstatt seines sterbenden Königs und weinte. Blass war das Antlitz des Herrschers, die Augen geschlossen, die Haut kalt und klamm. Sein Herr stand auf der Schwelle zum Tode, doch bislang war er nicht hinübergetreten. Das gab ihm etwas Zeit, seine wichtigste Entscheidung zu treffen.
Er hielt den Kopf gesenkt und die Hände vor der Brust verschränkt. Seine Finger umschlossen den geheimnisvollen Talisman seines Herren - das silberne Kreuz!
Einige Tage zuvor
Die schwere Plane wurde zur Seite geschlagen und eine große, in eine dunkle Robe gekleidete Gestalt, betrat das Zelt. Das Innere war wohlhabend eingerichtet: Kostbare Teppiche lagen auf dem Boden, verzierte Truhen und ein elegantes Himmelbett befanden sich an der Seite. In der Mitte ruhte ein großer, verschnörkelter Holztisch, an dem ein stattlicher Mann über einige Pergamente gebeugt stand.
»Du hast mich rufen lassen, Richard?«, sprach der Ankömmling mit tiefer Stimme. Der Angesprochene sah vom Tisch auf und drehte sich seinem Besucher zu. Der Mann war groß, die Haut wettergegerbt, und um sein Haupt fielen dunkle Locken bis auf die Schultern. Ein krauser Bart zierte sein edles und gutmütiges Gesicht.
»Shachaar, mein Freund! Es freut mich, dass du meiner Einladung gefolgt bist!«
Shachaar schlug die Kapuze zurück und ein komplett haarloser Kopf kam zum Vorschein. Die Haut wies einen dunklen Teint auf, und die Gesichtszüge waren hart ins Antlitz gegraben. Shachaar mochte die 40 Lenze bereits überschritten haben, doch der Glanz in seinen Augen zeugte von einem jungen Verstand. Trotzdem wirkte sein Äußeres auf viele erschreckend und unsympathisch. In einer hilflosen Geste hob er die Schultern, als er antwortete:
»Wie kann ich die Bitte eines Freundes abschlagen? Schon gar nicht in diesen schweren Zeiten, wo du zu allererst mein König bist.« Er legte die rechte Hand auf seine Brust und deutete eine kurze Verbeugung an.
»Lassen wir die Förmlichkeiten. Die Lage ist zu ernst, und ich brauche dich nicht nur als Berater, sondern auch als Freund.« Richard ging auf Shachaar zu und blieb dicht vor ihm stehen.
»Du willst die Burg also wirklich angreifen?«, stellte Shachaar fest. Er wäre ein schlechter Ratgeber und Freund gewesen, wüsste er nicht bereits von den Plänen König Richards, den man auch seiner Tapferkeit wegen Richard Löwenherz nannte.
»Ich muss es tun, verstehe doch!« Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. »Wenn wir die Burg Chálus-Chabrol erobern, werden wir durch die Reichtümer eine Armee aufstellen können, um Jerusalem zurückzuerobern!«
Shachaar atmete tief ein. Er wusste, dass dies Richards’ einziges, noch verbleibendes Ziel war, um damit seine Schmach von vor fast zehn Jahren zu tilgen.
»Mit deiner Hilfe, mit der Hilfe Gottes, werden wir es schaffen, mein Freund!« König Richard legte Shachaar die Hände auf die Schultern.
»Du bist der König. Ich werde an deiner Seite reiten, wenn es zum Kampf kommt!«
»So kenne ich dich! Und wir werden siegen! Das verspreche ich dir!«
Shachaar schreckte aus seinen Gedanken auf, als ihn etwas kaltes an der Hand berührte. Schnell zog er den silbernen Talisman zurück, um ihn zu schützen. Als er den Kopf hob, sah er König Richard immer noch vor sich liegen, aber jetzt hatte er den Kopf in seine Richtung gedreht und sah ihn mit trüben, blauen Augen an. Schweiß glänzte auf der fiebrigen Stirn und die kalten Finger des Königs hatten sich auf Shachaars’ Hand gelegt.
»Ich sehe … du hast es bereits … «, die Stimme klang brüchig und leise. Jetzt ruhte der Blick der glanzlosen Augen auf dem Kreuz. Shachaar bemerkte, was König Richard meinte und hielt ihm das Kreuz entgegen.
»Nein! Behalte es … für mich ist es zu spät.« Abwehrend hob der König die Rechte, um damit Shachaars’ Hand zurückzuweisen. Plötzlich spürte Shachaar eine Wärme von dem silbernen Gegenstand ausgehen, und Richard sah im nächsten Augenblick nicht mehr so erschöpft aus, wie noch kurz zuvor.
»Gib gut auf das Kreuz acht. Es ist sehr wertvoll, das hast du ja bereits erfahren.« Die Stimme klang kräftiger. War es das letzte Aufbäumen vor dem nahenden Tod? Seine kalten Finger griffen fester zu und umklammerten die seines Freundes und das Kreuz.
»Du wirst wissen was zu tun ist, und alles in meinem Sinne erledigen. Das haben wir bereits besprochen. Meine Zeit ist abgelaufen. Mein Traum wird nicht mehr in Erfüllung gehen, und für dich ist er unbedeutend.«
Rasselnd holte Richard Luft. Ein Verband zog sich um den schmaler gewordenen Oberkörper, von der linken Brustseite über die rechte Schulter. Blut durchtränkte ihn. Eigentlich hätte der Verband längst gewechselt werden müssen, aber das spielte jetzt ohnehin keine Rolle mehr …
»Nur eines musst du mir noch versprechen, mein Freund.« Sie sahen sich tief in die Augen. »Du erhältst mein wertvollstes Geschenk, das silberne Kreuz! Achte darauf, dass es nicht in falsche Hände gerät. Vielleicht wirst du in deinem Leben auf einen weiteren Träger treffen. Dann ist es Zeit, es abzugeben. Du wirst merken, wenn es soweit ist. Aber bis dahin beschütze es mit deinem Leben, so wie du mein Leben beschützt hast. Gelobe es!«
Shachaar zögerte nur einen Augenblick. Dann senkte er den Kopf und sprach zu seinem König: »Ich gebe dir mein Ehrenwort!«
Einige Tage zuvor
Es war dunkel draußen. Shachaar hatte sich in sein Zelt zurückgezogen und eine Laterne entzündet. Auf den Boden war ein Pentagramm gezeichnet, in dessen fünf Spitzen fremdländische Zeichen prangten. Er selbst hockte, in sich zusammen gesunken, in der Mitte.
Mitternacht war längst vorüber. Im Lager war Ruhe eingekehrt. Vereinzelnd patrouillierten Wachen zwischen den Zelten, aber die meisten schliefen. Seit vielen Tagen belagerten sie nun schon Burg Chálus-Chabrol. König Richard war guter Dinge, denn er glaubte, mit dem Sturm auf die Burg, seinem Ziel ganz nahe zu sein.
Shachaar und Richard kannten sich seit vielen Jahren; länger als Richard König von England war. Nach der Krönung hatte Richard Shachaar zu seinem persönlichen Berater ernannt. Zusammen hatten sie viele Wirren im königlichen Leben bestritten, und Shachaar hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass König Richard aus der Gefangenschaft von Herzog Leopold befreit worden war. Danach war ihre Freundschaft noch inniger geworden. Richard vertraute Shachaar vollkommen, und im Gegenzug hatte Shachaar dem König ewige Treue geschworen.
Mit Shachaar an seiner Seite gelang es dem König sogar einen Teil der gläubigen Gesellschaft auf seine Seite zu ziehen, denn Shachaar war ein Mann Gottes. Obwohl er sich dem göttlichen Glauben hingegeben hatte, erfuhr er doch kaum von dessen Wundern. Seine Neugierde ließ ihn weiter forschen, und er wollte in seinem Glauben auch neue Wege gehen. Einer dieser neuen Wege befand sich jetzt unter ihm, oder genauer gesagt, um ihn herum. Mit dem Pentagramm konnte Shachaar Kräfte beschwören oder herbeirufen, wie es ihm im Leben als christlicher Gläubiger nie gelungen wäre.
Shachaar hatte König Richard, seinem Freund, ewige Treue geschworen. Und deshalb wollte er alles in seiner Macht stehende tun, um die Herrschaft seines Königs auszuweiten und zu stärken. Die nächtliche Beschwörung sollte ihm dabei helfen, den nahenden Angriff erfolgreich abzuschließen. Shachaar wusste, dass er sich auf die Kräfte verlassen konnte, und auch diesmal sollte er nicht enttäuscht werden. Die Formeln hatte er einem alten Folianten entnommen und sie waren ihm flüssig über die Lippen gekommen.
Plötzlich wurde das Licht der Laterne dunkler, die Flamme nahm eine tiefrote Farbe an, und die Schatten im Zelt verdichteten sich. Schwarzer Nebel stieg aus dem Pentagramm auf und nahm Shachaar die Sicht auf die hellen Stoffwände des Zeltes. Langsam verdichtende Schwaden umflossen den knienden Priester, dem ein eiskalter Schauer über die Haut lief, als der Nebel ihn berührte. Shachaar hatte den Kopf erhoben und die Augen weit aufgerissen, um zu erkennen, ob ER gekommen war. Da sah er die zwei rot glühenden Punkte, die sich in der Schwärze manifestiert hatten. Gleichzeitig vernahm er die dunkle Stimme des Wesens, welches sich selbst Spuk nannte und sich als Herr der Schatten bezeichnete:
»Du hast mich gerufen, Shachaar! Was willst du?«
»Ich brauche Hilfe; Hilfe für meinen Herrn, dem eine schwere Aufgabe bevorsteht!«
Shachaar wusste, dass der Spuk ihm helfen würde. Jedoch nicht, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.
»Ich werde euch helfen!«, dröhnte wieder die Stimme des Spuks aus der Schwärze, »Aber nur unter einer Bedingung!«
»Und die wäre?« Shachaar fühlte sich unwohl.
»Wenn dein König stirbt, nimm ihm das Kreuz ab! Ich will seine Seele in meinem Reich! Das ist die einzige Forderung die ich stelle!«
Shachaar atmete auf. Bis jetzt hatte Gott ihm nicht gezeigt, dass eine Seele bei ihm sicher aufgehoben wäre. Warum sollte es im Reich des Spuks nicht anders sein? Wenn Richard einmal Tod war, spielte das sowieso keine große Rolle mehr.
»So soll es sein!«, sprach Shachaar, und der Pakt mit dem Spuk war geschlossen. Er hatte keine Ahnung, was ihm widerfahren würde, wenn er ihn brach.
König Richard lag wieder ruhig auf dem Lager. Seine Brust hob und senkte sich kaum merklich und die Augen waren geschlossen. Seine Hände ruhten auf der Brust. Shachaar kniete immer noch neben seinem Lager und hielt das Silberkreuz mit den Händen umschlossen.
Bald würde es soweit sein. Der Tod würde seinen Herrn ereilen, und er, Shachaar, musste ein Versprechen oder die Abmachung mit einem Dämon einlösen.
Wieder schweiften seine Gedanken ab, und er erinnerte sich daran, was nach dem Gespräch mit seinem Freund Richard geschehen war: Am frühen Abend des nächsten Tages griffen sie Chálus-Chabrol an. Hunderte Kreuzritter unter der Führung ihres Königs stießen vor. Die Burg selbst bot keine großen Hürden, die es zu überwinden galt. Weder Gräben noch Palisaden standen ihnen im Weg. Einzig ein schweres, hölzernes Tor befand sich zwischen dem König und seinem Ziel.
Den schwarzen Schatten auf dem dunklen Holz des Tores nahm kaum einer der Angreifer und Verteidiger wahr. Nur Shachaar wusste, dass der Spuk eingegriffen hatte. Warum das Tor so plötzlich zerstört wurde, blieb für viele unerklärlich.
König Richard Löwenherz und seine Truppen fielen in die Burg Chálus-Chabrol ein.
Einige Tage zuvor
»Auf Männer! Der Weg ist frei! Für Jerusalem! Für euren König!«, schrie Richard, und seine Männer stimmten mit lautem Geschrei ein.
»Bleib an meiner Seite, Shachaar. Wir wollen den Tapferen Mut geben und diejenigen gebührend empfangen, die uns entgegentreten.«
König Richard ritt mit Shachaar an der Spitze, und seine Krieger folgten ihm durch das zerstörte Tor. Richard Löwenherz war in eine glänzende, extra für ihn angefertigte Rüstung, gekleidet. Die Metallplatten lagen so über dem Wams, dass sie ihn vor den Schwerthieben der Feinde schützten, ihm aber größtmögliche Bewegungsfreiheit gaben, selbst sein Schwert zu schwingen. Die königliche, blaue Tunika mit dem goldenen Löwen darauf, fiel über die Rüstung. Helm, Schwert und Schild wiesen die gleichen Verzierungen des königlichen Löwen auf. Sein Streitross, ebenfalls in den königlichen Farben blau und gold geschmückt, ritt stolz unter dem Torbogen hindurch in den Hof der Burg Chálus-Chabrol ein.
Die Gegner gaben sich noch nicht geschlagen und stellten sich mutig den Angreifern entgegen. Doch schnell war klar, dass die Angreifer im Vorteil waren und die Verteidiger weiter zurückgedrängt wurden.
König Richard hatte gerade sein Schwert erhoben und rief seinen Vasallen weitere Befehle zu, als plötzlich der Bolzen einer Armbrust aus dem Schatten einer Mauer geflogen kam. Er bohrte sich neben einer Metallplatte, durch das Wams, unter dem linken Arm des Königs, in seine Brust; nur knapp neben dem Herzen. Der Schrei Richards ließ Shachaar herumfahren. Er ahnte, was geschehen war. Richard hatte das Schwert in die andere Hand gewechselt, schwankte auf seinem Ross und hielt sich gekrümmt im Sattel.
Auch die ersten Krieger bekamen mit, dass etwas passiert war und stockten in ihrem Angriff.
»Kämpft weiter, meine treuen Gefährten!«, rief Richard Löwenherz und schlug mit dem Schwert einen Verteidiger zu Boden.
Shachaar sah den Bolzen aus dem Körper des Königs ragen. Schnell handelte er und schnappte sich das Streitross, um es hinter die angreifenden Linien zu führen. Er brachte seinen Freund durch das zerstörte Tor zurück ins Lager, wo Richard Löwenherz sofort versorgt wurde. Es schien jedoch so, als wäre der Bolzen vergiftet gewesen. Auch nach Tagen heilte die Wunde nicht, und der König verfiel immer weiter. König Richard Löwenherz kam dem Tod immer näher; die Burg aber war erobert worden.
Als Shachaar erneut aus seinen Gedanken auftauchte, bemerkte er sofort, dass sich im Zelt etwas verändert hatte. Die leisen Atemgeräusche waren verstummt. Sein erschrockener Blick auf Richards’ bewegungslose Brust bestätigte seine Vermutung: König Richard Löwenherz, der König von England, war tot!
Wieder stiegen Tränen in Shachaars’ Augen. Er beugte sich über seinen Freund und ließ seiner Trauer freien Lauf. Er fühlte sich elendig. Fest drückte er das silberne Kreuz an seine Brust und sah auf den toten König hinab. Bleich und reglos lag er auf dem Sterbebett.
Die Zeit der Entscheidung war also gekommen!
Richards’ letzte Worte kamen Shachaar in den Sinn. Die Bitte an seinen alten Freund, und Shachaars’ Versprechen seinem König gegenüber. Je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer war er, den Pakt mit dem Spuk nicht erfüllen zu können. Er konnte doch nicht mit der Seele eines Menschen Handel treiben. Aber genau das hatte er getan. Er hatte die Seele seines Königs verkauft!
Dass die Eroberung der Burg Chálus-Chabrol so enden würde, damit hätte er nie gerechnet. Auch wenn der Spuk seinen Teil der Abmachung eingehalten hatte, war der Tod Richards nie Gegenstand des Planes gewesen. Und sein Überleben nicht Bestand des Paktes!
Shachaar fühlte sich vom Spuk hintergangen! Mit dem Tod des Königs machte der Sieg überhaupt keinen Sinn mehr! Für Shachaar war der Pakt mit dem Spuk hinfällig geworden.
Plötzlich wurde es im Zelt kälter. Dunkle Schlieren zogen auf und verdichteten sich um den toten König und Shachaar herum. Der Spuk kam!
In Shachaar tobten die Gefühle. Eine Entscheidung stand kurz bevor. Die Seele seines Königs für den Sieg über die Burg? Hatte Shachaar sich vor einigen Tagen noch für den Pakt entschieden, traf dies heute nicht mehr zu. Behutsam legte er das silberne Kreuz auf die Brust seines toten Freundes.
Der Spuk verdichtete sich weiter und Shachaar erkannte die zwei rot glühenden Augen, die sich in der Schwärze materialisierten. Er glaubte, die Kälte würde noch zunehmen, als der Spuk ihn ansprach:
»Nimm das Kreuz von seiner Brust! Ich werde mir den Lohn für meine Dienste holen! Wage es nicht, dich mir entgegen zu stellen!«
»Ich kann dir die Seele nicht überlassen!«, sprach Shachaar mit fester Stimme. »König Richards’ Seele wird nicht in dein Reich gelangen, denn das hat er nicht verdient!«
»Egal, ob er es verdient hat oder nicht! Wir haben einen Pakt geschlossen! Ich habe ihm geholfen die Burg zu erobern und dafür bekomme ich seine Seele!«
»Der Pakt ist hinfällig, denn die Eroberung bringt nichts, wenn der König tot ist.«
»Das spielt für mich keine Rolle!«, donnerte die Stimme des Spuks, und die schwarzen Nebelschlieren bewegten sich unruhig hin und her. Solange das Kreuz auf Richards’ Brust lag, gelangte der Spuk nicht an ihn heran.
»Nimm das Kreuz weg!«, befahl der Spuk.
Doch Shachaar reagierte nicht darauf. Er erhob sich und wandte sich mit gespreizten Armen dem Dämon zu.
»Mache, was du machen musst, aber die Seele meines Königs kann ich dir nicht überlassen!«
Der Tod hatte Shachaar den Freund, König und seine Aufgabe genommen. Er hatte seine Pflicht nicht erfüllen können, und mit dem Pakt, seinem Freund gegenüber sogar den Schwur gebrochen. Einen Schwur, den Richard nicht einmal öffentlich eingefordert hatte. Shachaar war immer an seiner Seite gewesen, hatte immer alles für seinen König getan. Doch jetzt hatte er verloren und musste die Konsequenzen dessen, was er verbrochen hatte, tragen.
Der Spuk zürnte, das merkte Shachaar deutlich.
»Ich werde eine Seele bekommen, und wenn es nicht die eines Königs ist, so soll es die seines ersten Dieners sein!«
Shachaar hatte mit der königstreuen Entscheidung sein Todesurteil gesprochen. Er würde seinem Tod erhobenen Hauptes entgegensehen und die Qualen der Hölle auf sich nehmen. Aber nie hätte er die Seele Richards in die Hände dieses Dämons geben können. Das war ihm jetzt klar.
»Dein Stolz wird dein Schmerz sein!«, rief der Spuk ihm entgegen.
Der schwarze Nebel wirbelte schneller um Shachaars' Gestalt. Sein Gewand flatterte und er spürte die Macht des Spuks, die an ihm zerrte und Schmerzen verursachte. Noch biss er die Zähne zusammen. Langsam drang der Nebel durch seine Poren in den Körper ein.
»Deine Seele wird in meinem Reich unendliche Qualen erleiden!«
Shachaar fing an zu zittern. Er vibrierte unter der Macht des Spuks. Gurgelnde Laute drangen aus seiner Kehle. Der schwarze Nebel drang immer stärker in ihn ein und füllte seinen Körper aus, indem er all’ das, was er einmal gewesen war, auslöschte.
Shachaar riss die Augen auf, die plötzlich schwarz geworden waren. Ein unmenschlicher Schrei drang über seine Lippen und fuhr durch das ganze Lager. Mit einem letzten Wirbeln löste sich Shachaar in den Spiralen des schwarzen Nebels auf.
Als der Schrei verklungen war, stürmten Wachen in das Zelt des Königs und fanden ihren Anführer und König tot auf dem Bett liegend vor. Das silberne Kreuz, welches stets sein Talisman gewesen war, lag auf seiner Brust. Shachaar, die rechte Hand des Königs und dessen Freund, war verschwunden.
ENDE